„Eine Führungskraft muss fühlen können.“ 

Interview mit Martin Groß

Hallo Martin, was ist besonders relevant an den Future Leadership Trainings?

"Vieles. Denn was ich sehe, ist, dass unsere Welt, auch und vor allem die Businesswelt, sehr unsicher, volatil und teilweise irrational und chaotisch ist – auf jeden Fall nicht so linear und rational zu managen, wie wir es vielleicht gerne hätten.

Als Projektmanager, als Führungskraft, aber auch als Mitarbeitender hat man die ganze Zeit mit Veränderungsprozessen und Spannungsfeldern zu tun. Die jagen einander und überlappen sich.

Mit dem Konzept „Future Leadership“ machen wir Organisationen und ihren Führungskräften Vorschläge dazu, wie sie das, was sie heute und morgen brauchen, verbessern und entwickeln können: z.B. Anpassungsfähigkeit, Resilienz, eine gute Fehlerkultur, Raum für Innovation und Kreativität, Agilität und einen bewussten Umgang mit Spannungsfeldern. Damit sie nicht in einem Reaktions- und Feuerlöschmodus stecken bleiben.

Ich sage es mal etwas forsch: Future Leadership ist super relevant, um Organisationen in der heutigen Welt zu navigieren."

Du nennst Resilienz als einen Faktor, eine Dimension von Future Leadership. Wie werden Führungskräfte resilient?

"Was schon gut ausgeprägt ist bei den Führungskräften, ist die kognitive Resilienz: das richtige Mindset haben, clever über Sachen nachdenken, strukturiert sein, Risiken managen. Was nicht so gut ausgeprägt ist, ist die emotionale Intelligenz, die innere Widerstandsfähigkeit, der innere Umgang mit Spannungsfeldern.

Wenn ich aber gut und ruhig nach innen schauen und erkennen kann: Was genau ist dieses Spannungsfeld, was spielt da alles eine Rolle, und wenn ich das dann auch emotional regulieren und authentisch zum Ausdruck bringen kann, was da gerade passiert – dann entwickele ich eine innere Resilienz und eine klare Haltung.

Das rein kognitive Reagieren ist verhältnismäßig einfach, oft aber zu einfach. Und vieles davon passiert in emotionaler Vermeidung – und das ist dann eben nicht der authentische Ausdruck dessen, was wirklich in mir vorgeht. Wenn ich als Führungskraft fähig zu guter Introspektion, zu guter emotionaler Regulation bin, wenn ich also emotional freier werde, dann bin ich „in mir drin resilient“. Und daraus kann entsprechende Kommunikation entstehen, die dann Resilienz im Großen, Umfassenden, in der ganzen Organisation manifestiert.

Also: Eine Führungskraft sollte gut fühlen können."

Du machst mit den Führungskräften auch „Breathwork“ in den Trainings. Hast du da mit Vorbehalten und Widerständen zu tun? Und worum genau geht es da, was bringt das?

"Ich mache das auf der Basis von viel Selbsterfahrung und einigen Ausbildungen und mit voller Überzeugung. Auch und gerade gegen Widerstände und Vorbehalte in der kognitiven Führungskultur, wo man immer noch Sätze hört wie: „Ich bin nicht so der emotionale Typ“ oder: „Emotionen gehören nicht an den Arbeitsplatz.“

Ich war selber jemand, der viel über Führung und Transformation wusste – aber deswegen funktionierten trotzdem nicht alle Transformationsprojekte super. Ich bin irgendwann an eine kognitive Decke gestoßen ist, mir fehlte etwas für eine holistischere Herangehensweise an Führung und Persönlichkeitsentwicklung: Das ist die körperliche Ebene, das ist Verkörperungsarbeit. Und dazu gehört Atemarbeit.

Man braucht eine bestimmte Verbindung zwischen Geist und Körper, um diese Tools effektiv nutzen zu können. Denn: Der Atem ist das Medium, um das Nervensystem so zu regulieren, dass man einen Zugang zu emotionalen Zuständen bekommt, die man bisher unterdrückt hat, um vermeintlich gut zu funktionieren.

Wir schaffen im Future Leadership Training einen sicheren Raum, in dem man lernen kann, wie es ist, so „echt“ zu fühlen. Die Teilnehmer:innen lernen sich sicherer zu fühlen mit ihren Emotionen. Z.B. keine Angst vor der Angst oder vor dem Leistungsdruck zu haben. So dass sie nicht in eine emotionale Vermeidung rutschen oder in einer Überkompensation landen. Sondern Gefühle bewusst navigieren und authentisch damit umgehen können."

Noch mal ganz konkret: Was haben deine Trainingsinhalte, -übungen, -einheiten mit „Future Leadership“ zu tun?

"Es fällt auf, dass immer mehr Menschen in den Organisationen merken: Nur kognitiv reicht nicht. Und auch mit alten Modellen von Zusammenarbeit kann man der Zukunft nicht gerecht werden. Gerade mit Blick auf KI wird klar, dass der technologische Fortschritt und die kognitive Welt schon sehr weit entwickelt sind – und sich rasant immer weiter entwickeln.

Der menschliche Fortschritt, die innere Entwicklung hinkt da hinterher. Hier brauchen wir unbedingt neue Perspektiven, neue Modelle."

Und das Future Leadership Training ist so eine neue Herangehensweise, eine Ergänzung zur kognitiven Prägung der Businesswelt?

"Ja. Was wir in den Trainings machen, befürwortet und verstärkt den „menschlichen Fortschritt“, der Fokus liegt auf der inneren Arbeit. Nicht: Hier ist das Problem, hier sind drei Möglichkeiten, das zu lösen. Sondern: ein tiefer emotionaler Prozess, durch den die Menschen hindurchgehen können und den sie dann lernen zu „halten“.

Das hat übrigens – wie ein Ripple-Effekt – Auswirkungen auf andere Bereiche im Leben. Was man in unseren Führungskräfte-Seminaren lernt, ist auch etwas was, das man zu Hause in Beziehungen zu Partnern und Kindern nutzen kann usw. Und das resoniert sehr stark mit den Teilnehmer:innen. Sie merken: „Krass, das funktioniert. Ich kann in einem Konflikt oder im Stress auf einmal anders reagieren, ich habe andere Ressourcen. Und dadurch bin ich klarer, dadurch geht's mir besser, dadurch bin ich produktiver – und die Menschen, mit denen ich arbeite, für die ich verantwortlich bin, auch.

Das finde ich schon ziemlich future-mäßig."

Martin Groß ist u.a. Leadership Coach, Teamentwickler und Breathwork Practitioner. Er beschäftigt sich seit 14 Jahren intensiv mit Transformations- und Führungsthemen.